Um ein Glasgemälde wirklich geniessen und verstehen zu können, ist es fast nötig, einiges über seine technische Ausführung zu wissen; denn es gibt kaum eine andere Malerei, bei der Material und seine Bearbeitung in so umfassender Weise die Wirkung bestimmen. Dieses Material und seine künstlerische Anwendung sind heute wieder genau dieselben wie bei den ersten Glasgemälden aus dem 12. und 13. Jahrhundert.
Der Ausdruck „Glasmalerei“ erweckt den Eindruck, als ob auf eine grosse Glasscheibe gemalt, also die Farben aufgetragen würden. Die Bezeichnung „Glasmosaik“ käme der wirklichen Technik aber näher, denn die „Glasgemälde“ sind in Wirklichkeit ein Zusammensetzspiel aus farbigen Glasstücken (300-500 pro m2). Für jede neue Farbe ist auch ein neues Scheibchen notwendig, das durch eine gezogene Bleirute mit seinem Nachbarn verbunden ist.
Das Farbenglas wird in einer französischen und (wenigstens bis zum Krieg) in einer deutschen Glashütte als Tafeln von etwa 1/2 m2 hergestellt nach Rezepten mittelalterlicher Mönche. Die moderne Chemie hat nur wenig hinzugeben können, und das Durchfärben der flüssigen Glasmasse im tönernen Tiegel ist immer noch eine Sache der Erfahrung, des Gefühls und des Zufalls, kommt doch selten eine Farbe zweimal in derselben und genau im gleichen Ton zustande. Dadurch wird eine Vielfalt an Farbe erreicht, die praktisch alles erlaubt. Das ist ein Vor- und ein Nachteil. Dieser Reichtum verlangt vom Künstler eine starke Zucht. Die farbige Schönheit dieses „Antikglases“ steht dem Material der alten Meister in keiner Weise nach. Wenn es auf alten Werken dennoch wärmer und kostbarer leuchtet, so darum, weil die Alten in naiver und unmittelbarer Weise es anzuwenden wussten und - nicht zuletzt – weil auch die Witterung von Jahrhunderten mitgearbeitet hat.
Der Künstler, der auf Papier seinen Entwurf macht, muss jeden Augenblick dieses Material, seine besonderen Möglichkeiten und die Beschränkung, die es ihm auferlegt, vor Augen halten. Im Entwurf in natürlicher Grösse, dem „Karton“, zeichnet er auch die Führung der Bleilinien ganz genau ein. Auch heute noch ist ein Glasgemälde eine Gemeinschaftsarbeit und der entwerfende Künstler ist auf die Mitarbeit der ganzen Glasmalerwerkstatt angewiesen.
Vom Karton paust der Bleiglaser diese Bleilinien auf ein steifes Papier und zerschneidet es in Schablonen für die einzelnen Scheibchen. Das doppelklingige Messer lässt immer soviel Papier abfallen, als das Blei nachher Platz braucht. Gemeinsam lesen Maler und Glaser die einzelnen Gläser aus, Stück für Stück, die verwendet werden sollen. Mit Diamant und Kröselzange schneidet der Glaser – genau nach der aufgelegten Schablone – die Scheibchen zu und setzt sie auf der Glasstaffelei (einer gerahmten Fensterglasscheibe, die gegen das Licht gestellt ist) zusammen. Bienenwachs versieht die Stelle der Bleistege.
Jetzt beginnt die eigentliche Glasmalerarbeit: Mit Schwarzlot (Schwarz und Gelb sind die einzigen Farben, die einwandfrei eingebrannt werden können) zeichnet er auf die Gläser Einzelheiten: Gesichtszüge, Hände, Falten usw. und macht aus dem reinen Farbenspiel ein verständliches Bild. Wenn seine Arbeit vollendet ist, löst er die Glasstücke und legt sie auf die Tablare des Brennofens, der mit Tannenholz auf 600 –700 Grad geheizt wird. Bei diesem Punkt verbindet sich die Farbe mit den weichgewordenen Glasstücken und schmilzt unverwüstbar ein.
Am nächsten Tag ist der Ofen soweit ausgekühlt, dass die Scheibchen ihm entnommen werden können. Sind sie gelungen, so setzt der Bleiglaser sie endgültig zusammen, legt das biegsame Blei mit dem Doppel-T-Querschnitt dazwischen, verlötet („knüpft“) die Verbindungsstellen und vollendet so das gemeinsame Werk.