Im Theatersaal lässt sich herrlich ungestört zeichnen. Man sitzt zwar Ärmel an Ärmel, aber jedermann ist so schön gefesselt durch die Vorgänge auf der Bühne und seine Platznummer, und Dunkelheit legt sich als schützende Isolierung um einen.
Vor etwa zehn Jahren fing ich damit an, ohne damals daran zu denken, die Blättchen auch nur herzuzeigen. Da sass eben im Zuschauerraum der Illustrator, sah Illustrationen sich leibhaftig abspielen und konnte sich nicht zurückhalten, zu versuchen, etwas festzuhalten. Er sah die Figuren sich verschieben bis zu einer Konstellation, die von einer schlagenden Eindrücklichkeit war, um im nächsten Augenblick (von einem bestimmten Platze aus gesehen) die Spannung wieder zu verlieren. Diesen einzigen und einmaligen fruchtbaren Moment galt es festzuhalten. Oder eine Bewegung; ein Gewand, das diese unterstrich; eine Farbe, die innerhalb des Bühnenraums seltsam aufleuchtet; eine Verteilung von Hell und Dunkel, welche das Geschehen eigenartig erläuterte: Alles das verging wie es gekommen war und lohnte den Versuch, mit ein paar Strichen die Erinnerung zu stützen, um auch am nächsten Tag alles wieder vor sich zu haben. Vielleicht war die Aufführung nicht einmal besonders gut, sie stand weit hinter dem Bilde zurück, das man sich selber schon bei der Lektüre gemacht hatte, oder die bühnentechnischen Mängel unseres Saales zeigten sich allzu deutlich. Die Phantasie ergänzte den Eindruck und so ergab sich doch ein Ganzes. Ein Liebender singt vielleicht ein Ständchen „in einem Garten“, in unserem Falle aber vor dem nicht ganz sauberen Hintergrundvorhang. Er singt aber wie ein Herrgöttchen und der Garten ist da. Mir sind solche Verhältnisse lieber, bei denen man sozusagen die Räder der Bühnenpraxis knarren hört, als die öde Perfektion des Filmes.
Manchmal ging ich schon am Tag danach daran, die Skizzen auszubauen. Oft aber stiess ich nach Jahr und Tag auf eines der Hefte und an den Strichen entzündete sich eine erinnernde Vorstellung und liess mich fast spielerisch nach Ergänzungen tasten. Vieles verdarb dabei, aber einiges glückte auch. Neben den umfangreichen Auftragsarbeiten bedeutete das ein geniesserisches Spiel ohne alle drückende Verantwortung und die war oft der willkommene Vorwand, eine Entscheidung hinauszuzögern und die Gelegenheit, sich vor schwierigen Phasen zu lockern.